BLOWIN’ FREE – Das Containerdorf der KunstVereineRuhr
© OOZE ARCHITECTS
Im Sommer 2013 verschmolzen die KunstVereineRuhr mit zehn Ausstellungen, drei aufeinander folgenden internationalen Artist-Residencies, Special Guests sowie einem Film- und Musikprogramm zu einem sich stetig verändernden utopischen Ort: dem BLOWIN’ FREE Containerdorf.
Auf Einladung des Projektträgers und Verantwortlichen von EMSCHERKUNST.2013 hat ein Zusammenschluss von neun in der Ruhrregion ansässigen Kunstvereinen und Künstlerhäuser gemeinsam ein kuratorisches Konzept entwickelt, das besonders die künstlerische Autonomie dieser Institutionen repräsentierte. In einem von Ooze-Architects aus Rotterdam umgesetzten Containerdorf fanden in den 100 Tagen Laufzeit der EMSCHERKUNST.2013 ein Artist in Residence Programm sowie ein kuratiertes Ausstellungs-, Film- und Musikprogramm statt. Ziel war es, einen sich stetig verändernden Ort zu schaffen, der den Besuchern die Möglichkeit gibt, Kunstvereine und Künstlerhäuser als Orte der zeitgenössischen Kunstproduktion zu erleben. Als Orte, die im Vergleich mit anderen Institutionen in weitaus höherem Maße flexibel sind, am Puls der Zeit agieren und mit deutlich weniger Planungsvorlauf auf das aktuelle Geschehen reagieren können und damit innovative Zugänge zu zeitgenössischer Kunst schaffen. Ein signifikantes Symbol für den flexiblen Menschen in einer globalisierten, mobilen und in raschem Fluss sich verändernden Welt ist der Container – nutzbar als Frachtbox, Verkaufs- oder Präsentationsraum. In weitestem Sinne ist er daher den Kunstvereinen verwandt und bietet damit spannende Voraussetzungen für einen Ort künstlerischer Produktion sowie Ausstellung. Nicht ohne Grund benutzt der Kunstverein St. Pauli, der ein dreiwöchiges Gastspiel bei Blowin‘ free hatte, einen Übersee-Container für Ausstellungen und Veranstaltungen. Die Akteure bezeichnen ihn – vielleicht in bewusstem Kontrast zum „White-Cube“ – als „Darkroom“ und nutzen den Container als „Begegnungsstätte und Projektionsfläche für Phantasien“.
In der Regel jedoch dienen Container als nahezu hermetisch abschließbare Großraumbehälter zur Lagerung und zum Transport von Gütern. Sie existieren in verschiedensten Größen und sind zumeist genormt und standardisiert. Der bekannteste Containertyp ist der 40′ – Container mit den Maßen 12 × 2,5 × 2,5 m, von dem über 15 Millionen im Verkehr sind. Als gängigstes Transportbehältnis gelangen die 20’ – Standardcontainer zum Einsatz. Sie messen (außen) 6 × 2,5 × 2,5 Meter und sind bis zu sechsfach stapelbar. Als moderne Verbildlichung der Urhütte, die auf einfachste Weise dem elementaren Schutzbedürfnis des Menschen nachkommt, wird der Container, mit seinen knapp 15 qm oder in der großen Variante knapp 30 qm Wohnfläche, zunehmend auch von Künstlern und Architekten vereinnahmt und in kreative Zukunftsvisionen übertragen.
Als moderne Verbildlichung der Urhütte, die auf einfachste Weise dem elementaren Schutzbedürfnis des Menschen nachkommt, wird der Container zunehmend von Künstlern und Architekten vereinnahmt und in kreative Zukunftsvisionen übertragen. So entstand die Idee der KunstVereineRuhr, ein Artist in Residence-Programm in ein Containerdorf zu integrieren. Die Jury, bestehend aus Vertretern der KunstVereineRuhr, Verantwortlichen der EMSCHERKUNST.2013 und externen Sachverständigen, entschieden sich für die Künstlergruppe FSH sowie die Künstler Dai-Goang Chen und Jan Köchermann. Für jeweils einen Monat wurden sie in eigens für das Residenzprogramm konzipierten Containern einquartiert, waren künstlerisch tätig und präsentierten ihre Arbeiten. Das Containerdorf wurde dadurch zu einem mit viel Leben erfüllten Ort, an dem nicht nur an den Freitagabenden – an denen Eröffnungen, Film- sowie Musikprogramm im Wechsel, aber auch parallel stattfanden –, sondern auch während der Woche kommunikativer Austausch und besonderes Erleben möglich waren.
Parallel zu den Residenzen bespielten die KunstVereineRuhr über die 100 Tage sukzessive einen Ausstellungs-Container, in dem traditionelle kuratorische Konzepte genauso zum Tragen kamen wie genreübergreifende Kombinationen von Video-, Aktions- und Performancekunst mit klassischen bildgebenden Künsten.
Text: Sandra Dichtl, Linda Schröer